bei Halle an der Saale
Willkommen in Dölau
Dölauer*innen vorgestellt
Hilmar Thate  geboren am 17.April 1931 in Dölau  gestorben am 14.September 2016 Er besuchte hier und später in Halle die Schule. In der Folgezeit entwickelte sich der Wunsch in ihm einmal auf der Bühne zu stehen. Und dieser Traum wurde wahr. Auf der Umschlagseite seines Buches “Neulich, als ich noch Kind war” wird er wie folgt beschrieben: “Hilmar Thate, geboren 1931 in Dölau bei Halle an der Saale, verkörpert über fünf Jahrzehnte deutscher Theater- und Filmgeschichte. 1958 trat er dem Berliner Ensemble bei. Eine große Karriere begann mit wichtigen Rollen an den bedeutensden deutschsprachigen Bühnen. 1980 musste er zusammen mit seiner Frau Angelica Domröse die DDR verlassen. Hilmar Thate ist Mitgied der Akademie der Künste und erhielt zweimal den Nationalpreis der DDR, den Adolf-Grimme-Preis und den Bayrischen         Fernsehpreis. Seine “Welt” war und ist Berlin, wo er lebt.” Zur Erinnerung seien einige seiner Filme genannt: 1955 Einmal ist keinmal 1958 Jahrgang 21, 1958 Das Lied der Matrosen 1960 Leute mit Flügeln 1961 Mutter Courage und ihre Kinder 1961 Professor Mamlock 1961 Der Fall Gleiwitz 1964 Der geteilte Himmel 1973 Zement 1974 Die Wahlverwandtschaften 1976 Daniel Druskat 1978 Fleur Lafontaine 1980 Don Juan, Karl-Liebknecht-Straße 78 1981 Engel aus Eisen 1982 Die Sehnsucht der Veronika Voss 1983 Dingo 1990 Hurenglück 1997 Der König von St. Pauli 1999 Wege in die Nacht 2000 Krieger und Liebhaber 2002 Zweikampf 2004 Der neunte Tag 2005 Hitlerkantate Karl Werner     25.04.1892 - 24.12.1963 Karl Werner, der bis zu seinem Tod in Dölau im Heideweg 15 wohnte, war nicht nur ein einfacher privater Malermeister. Er gehörte zu den Handwerkern, die sich auch um die Ausbildung des fachlichen Nachwuchses kümmerten. Im Heideschlösschen gab er in einem Raum des Erdgeschosses, der von der Malerinnung gemietet war, Unterrichtsstunden für die zukünftigen Handwerker seiner Zunft. Was ihm nun aber einen Platz in der Dölauer Geschichte einräumt, ist sein Beitrag für die Heimatgeschichte des Ortes. In seiner Freizeit zog er mit Malerstaffelei oder Zeichenblock durch den Ort bzw. die unmittelbare Umgebung und zeichnete interessante Objekte oder einfach die Natur. Damit wurden Blicke festgehalten, wie wir sie heute zumTeil nicht mehr entdecken können. Der Hauptteil seines Nachlasses befindet sich, bis auf wenige im Privatbesitz befindliche Bilder, im Stadtarchiv der Stadt Halle (Saale). In diesem Zusammenhang sei dem Stadtarchiv für die Bereitstellung zwei seiner Bilder gedankt, die hier bewundert werden können. Persönliche Daten: geboren am 25.04.1892 in Hamburg Lehre als Maler von 1907-1910 Gesellenprüfung 31.01.1910 Meisterprüfung am 22.03.1919 Geschäftseröffnung 01.04.1920   gestorben am 24.12.1963 in Dölau    Bilder zum Vergrößern anklicken!
Standort der heutigen Kaufhalle in der Neuragoczystraße In der Schulstraße von Dölau 1961
                           Erik Neutsch  21. Juni 1931 - 20. August 2013 Besonders die Generationen, die in der DDR aufwuchsen, kennen seinen Namen.  Aber auch nach der Wende, als die Beiträge über die in der DDR verbotenen Filme aufkamen, rückte sein verfilmter Roman „Spur der Steine“ mit Manfred Krug in die Schlagzeilen der Medien. Erik Neutsch hat sich vor Jahren in Dölau niedergelassen und arbeitete intensiv an den letzten zwei Bänden seines Zyklus „Friede im Osten“,  der einmal 6 Bände umfassen sollte. Frau Dr. Evelin Wittich beschreibt anlässlich des 80. Geburtstages von Erik Neutsch    in einer Veröffentlichung 1)  das Leben des Schriftstellers wie folgt: Erik Neutsch wurde am 21. Juni 1931 in Schönebeck an der Elbe als Kind in einer sozialdemokratisch geprägten Arbeiterfamilie geboren. Die Erzählungen seines Vaters zum Beispiel über die Verbrüderung mit den Russen 1917 an der Ostfront oder darüber wie es war, wenn gestreikt wurde und er (der Vater) als Angehöriger der Streikführung dem Großvater als Streikbrecher gegenüber stand,  hinterließen tiefe Spuren bei dem Jungen. Dennoch ließ er sich durch die Nazis verführen und träumte von einem Nibelungenreich in einem Großdeutschland. Der 1943 verstorbene Vater konnte es nicht verhindern. Mit 14 ½ Jahren kam er unter Werwolfverdacht für ein Dreivierteljahr in ein Gefängnis des NKWD aus dem er mit eigenen Worten als ein anderer Mensch herauskam. Neutsch trat 1947 in die FDJ und 1949 in die SED ein, studierte von 1950 bis 1953 Gesellschafts- wissenschaften, Philosophie und Publizistik an der Universität Leipzig, wo er als Diplom-Journalist abschloss. Anschließend arbeitete er als Kultur- und Wirtschaftsredakteur bei der Bezirkszeitung „Freiheit“ in Halle von 1953 bis 1960. Seine Leidenschaft war und ist das Schreiben – auch über den täglichen Journalismus hinaus. So erschienen Anfang der 60er Jahre seine ersten Erzählungen und 1964 der Roman «Spur der Steine», der mehr als 500.000 mal verkauft wurde.                Neutsch war dem Theater sehr verbunden, schrieb 1971 das Schauspiel «Haut oder Hemd», das am Landestheater Halle Premiere hatte, und im gleichen Jahr das Libretto für die Oper «Karin Lenz».  Im Jahr 1974 beginnt er mit dem Romanwerk «Der Friede im Osten», das vor dem historischen Hintergrund der Jahre 1945 bis 1990 den Werdegang seiner Generation gestaltet, die untrennbar mit der Entwicklung der DDR verbunden war. Vier Bücher sind erschienen und an dem fünften arbeitet er zur Zeit. Die Planung und Realisierung seiner Werke nahm mitunter Jahrzehnte in Anspruch und Neutsch begab sich oft in die Lebensumstände seiner Romanhelden. So arbeitete er zum Beispiel auf dem Bau, ging in die Nationale Volksarmee und war im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld tätig. Er betrachtet die Autoren Büchner und Forster, die sich für die Interessen der Plebejer einsetzten, als seine literarischen Vorfahren und eines seiner großen Vorbilder ist Scholochow. Ihn faszinierten seine Professoren, zu denen Ernst Bloch, Fritz Behrens, Ernst Engelberg, Wieland Herzfelde und andere gehörten.                Über seinen Anspruch an seine Literatur schreibt Erik Neutsch: „Meine Figuren müssen konkret sein, realitätsbezogen und dazu gehört nun mal ihr gesamtes soziales Umfeld, das durch kaum ein anderes so geprägt wird, wie durch die Arbeit. Nur so, durch sein Tätigwerden bis ins Detail, wird ein Zimmermann zum Zimmermann, eine Architektin zur Architektin oder gar … ein Hirt zum Hirten. An seiner Arbeit lässt sich letztlich auch der Charakter eines Menschen messen. Und wie man sehen kann, habe ich in all meinen Büchern zumindest die Hauptperson immer wieder in ihrer Produktivität gezeigt … Wollte ich darauf verzichten, auf die Soziologie der schönen Details, wäre es, als beschriebe ich einen Menschen nur zur Hälfte, nicht einmal das, nur als seinen Schatten. Für meine dem Realismus verhaftete Auffassung begänne da eine Literatur des lebens- und weltfremden Nichtssagens, entweder des Elitären oder des Klischees.“ Werke von Erik Neutsch Die Regengeschichte, Halle (Saale) 1960 (Erzählung) Bitterfelder Geschichten, Halle (Saale) 1961 (Erzählband) Die zweite Begegnung, Halle (Saale) 1961 (Erzählung) Spur der Steine, Halle (Saale) 1964 (Roman) Die anderen und ich, Halle (S) 1970 (Erzählband) Olaf und der gelbe Vogel, Berlin 1972 (Kinderbuch) Haut oder Hemd, Halle 1972 (Schauspiel)         Auf der Suche nach Gatt, Halle (Saale) 1973 (Roman)      Karin Lenz, Berlin 1972 Libretto zur Oper von G. Kochau     Tage unseres Lebens, Leipzig 1973 (Erzählband)        Der Friede im Osten, Halle (Saale) 1. Buch  Am Fluß, 1974 Romanzyklus 2. Buch  Frühling mit Gewalt, 1978 Romanzyklus 3. Buch  Wenn Feuer verlöschen, 1985 Romanzyklus 4. Buch  Nahe der Grenze, 1987 Romanzyklus Heldenberichte, Berlin 1976 (Gesammelte Erzählung) Akte Nora S. und Drei Tage unseres Lebens, Berlin 1978 (2 Erzählungen) Der Hirt, Halle (Saale) 1978 (Erzählung)      Fast die Wahrheit, Berlin 1979       (Essays)      Zwei leere Stühle, Halle [u. a.] 1979 (Novelle) Forster in Paris, Halle [u. a.] 1981 (Historische Erzählung) Da sah ich den Menschen, Berlin 1983 (Lyrik und Dramatik) Claus und Claudia, Halle [u. a.] 1989 (Erzählung) Totschlag, Querfurt 1994 (Roman)      Vom Gänslein, das nicht fliegen lernen wollte, Leipzig 1995 (Kinderbuch) "Der Hirt" und "Stockheim kommt", Berlin 1998 (2 Erzählungen) Die Liebe und der Tod, Halle an der Saale 1999 (Gedichte) Nach dem großen Aufstand, Leipzig 2003 (Roman über Grünewald) Verdämmerung, Kückenshagen 2003 (Essayistische Erzählung) 1) Auszüge der Veröffentlichung von Frau Dr.Evelin Wittich zum 80. Geburtstag von Erik Neutsch auf den Seiten der R-L-Stiftung;  Berlin, den 21.6.2011
Foto: Bernd Wolfermann
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   Prof. Dr. Hans-Ulrich Demuth      geboren am 27.Februar 1953 Am 29.09.2008 meldeten die Medien in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen: „Wissenschaftlern aus Mitteldeutschland ist ein Durchbruch bei der Alzheimerforschung gelungen! Mit ihrem Forschungsansatz könnte Alzheimer in ein paar Jahren heilbar sein. … Das Mitteldeutsche Gemeinschaftsprojekt von Alzheimerforschern aus Halle, Magdeburg und Leipzig hat ein vollkommen neues Terapiekonzept entwickelt. … Sie fanden heraus, dass ein bisher unbekanntes Eiweiß für die Bildung von Ablagerungen im Gehirn verantwortlich ist, was dessen absterben massiv beschleunigt. … So entwickelte man weltweit einen neuen Wirkstoff, der das gefährliche Eiweiß hemmt und zum Rückgang der Alzheimersymptome führt.“ 1)   Prof. Dr. Demuth wurde in Halle (Saale) geboren. Er besuchte die Friedensschule im halleschen Stadtteil Ammendorf zwischen 1959 und 1967 und legte das Abitur 1971 an dem jetzigen Giebichensteingymnasium „Thomas-Müntzer“ in Halle ab. Nach dem Wehrdienst von 1971 bis 1973 begann er sein Studium an der Martin- Luther-Universität in Halle (Saale). Sein Diplom als Biochemiker legte er an der damaligen Sektion Biowissenschaften der Universität 1977 ab und promovierte 1982 zum Dr. rer. nat. Im Fach Biochemie habilitierte Hans-Ulrich Demuth 1990.  Als er sich 1991 einer Jury des Bundesforschungs- ministeriums mit seinem damaligem Projekt „Niedermolekulare Inhibitoren Prolin-spezifischer Enzyme als potentielle Pharmaka“ stellte, konnte er mit seinen Mitarbeitern als eine von zehn Nachwuchsgruppen in den neuen Bundesländern seine Arbeit fortsetzen. Ab 1993 beschäftigte sich diese Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Hans-Ulrich Demuth  dementsprechend intensiv mit der  Diabetes-Wirkstoffforschung. Die neue Strukturpolitik an der Universität nach der Wende veränderte zunächst den akademischen Lebenslauf des Wissenschaftlers in Halle. So konnte er dank der Förderung durch das Bundesforschungsministeriums und der Zusammenarbeit mit dem Hans-Knöll-Institut in Jena seine Forschungen an einem möglichen Diabetes-Medikament als Leiter der Abteilung Wirkstoffbiochemie des heutigen Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie fortsetzen. Um seine Arbeiten zum wirtschaftlichen Erfolg zu führen, gründetet er schließlich zusammen mit Dr. Konrad Glund 1997 die Firma „Probiodrug“. Zunächst im Technologie- und Gründerzentrum der  halleschen Weinberge, und heute im Biozentrum des Weinberg- Campus fand die Forschergruppe ihre neue Wirkungsstätte. Hans-Ulrich Demuth ist seit 2001 Forschungsvorstand der von ihm gegründeten Probiodrug AG und seit 2006 Professor für Pharmabiotechnologie an der Hochschule Anhalt in Köthen. Die größten Erfolge sind neue Therapiekonzepte bei der Behandlung von Diabetes und die bereits angesprochenen Ergebnisse zur Behandlung von Alzheimer. In Halle leitete er bis Ende 2019 eine Außenstelle des Fraunhofer- Instituts für Zelltherapie und Immunologie. Wir danken Prof. Dr. Demuth für die bereitgestellten Informationen. 1)   Kommentar der Sendung „sachsen-anhalt-heute“ des MDR vom 29.09.2008                                                                                                           
Dieter Schmeil geboren am 27.Januar 1936 Wer sich für die Geschichte von Dölau interessiert, kommt an seinen Ausarbeitungen nicht vorbei. Dieter Schmeil ist es zu verdanken, dass wir heute mehr über unseren Ort wissen, als vor einigen Jahrzehnten.            Er ist ein echter Ur-Dölauer: Hier geboren, hier zur Schule gegangen, über Jahre gemeinnützig in Dölau engagiert und bis heute Einwohner des Ortes. Dieter Schmeil fühlt sich fest mit Dölau verbunden. So ist  es nicht verwunderlich, dass er in Dölau „Hinz und Kunz“ kennt. Durch die vielen Gespräche mit Zeitzeugen von Dölau ist wohl so mancher Funke für die Dölauer Historie gezündet worden.                Als er 1996 in den Vorruhestand gehen konnte, hat er begonnen diese Überlieferungen zu Papier zu bringen. Es wurde aus dem Schweißfachmann ein Ortschronist. Die nun als Rentner zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit, gab ihm die Möglichkeit die Geschichte Dölaus intensiver festzuhalten und zu dokumentieren. So wurden zum Beispiel die bis dahin gesammelten und erworbenen Postkarten, Urkunden, Zeitungs- und Gesprächsnotizen digitalisiert und die von Dölauer Einwohnern zur Verfügung gestellten Bilder abfotografiert. Er recherchierte in den Archiven, führte Gespräche und brachte auch die eigenen Erinnerungen zu Papier bzw. auf die Festplatte des Computers.                  Wer sein Arbeitszimmer betritt, kann an den vielen Aktenordnern und Ablagen ermessen wie viel Zeit hier investiert wurde und wird. Auf diese Weise ist schon eine beachtliche Seitenzahl der Dölauer Geschichte zu Papier gebracht, gedruckt und gebunden worden. Immerhin zählt die Chronik von Dölau bis heute (2012) 243 Seiten. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Immer wieder werden neue Fakten bekannt, die ihn den Inhalt der Chronik Dölaus erweitern oder vervollständigen lassen. Im „Geschichtskreis Dölau“, deren Mitglied er ist, werden neue Erkenntnisse zusammengetragen und zugearbeitet. Abschließend würde Dieter Schmeil sicherlich sagen:  „Man kann vieles machen, aber man ist auch auf die Mitarbeit seiner Mitmenschen angewiesen. Manch altes Foto,  ein altes Schriftstück oder eine Überlieferung aus einer alten Kiste kann für den Chronisten wie ein Lottogewinn sein!“
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Foto: Bernd Wolfermann 2012
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Hans Joachim Schramm       11.Dezember 1930 - 11.Juni 2023 Wenn   Sie   sich   für   Sagen,   Erzählungen,   interessante   Begebenheiten   aus   der Region   oder   die   Geschichte   von   Dölau   interessieren,   so   ist   Ihnen   Hans Joachim Schramm garantiert ein Begriff. Der    1930        in    Halle    (Saale)        Geborene    hat    in    seinem    Leben    viele Geschichten   und   Märchen   geschrieben   und   Zeichnungen   sowie   Aquarelle geschaffen.     Selbst     so     manches     handgeschnitzte     Kunstwerk     trägt     die Initialen des Allroundkünstlers aus der Stadtforststraße in Dölau. Auf   Grund   seiner   künstlerischen   Fähigkeiten,   die   seine   Mutter   frühzeitig erkannte,   konnte   er   im   Herbst   1945   eine   Lehre   als   Goldschmied   an   der Kunstschule Burg Giebichenstein in Halle (heute   Burg   Giebichenstein   Kunsthochschule   Halle)   beginnen.   Nach   dem Abschluss   dieser Ausbildung   bot   sich   für   ihn   die   Möglichkeit   die   künstlerische Ausbildung   fortzusetzen   und   auf   anderen   Gebieten   Erfahrungen   zu   sammeln.   Er   lernte   in   der   Malerklasse   von   Professor   Haas.   In   der   Klasse der   Bildhauerei   studierte   er   Metallbildhauerei,   sowie   Grafik   bei   Professor   Post   und   erlernte   das   Kunstgiesen   bei   Herrn   Näher.   Nach   dem 10.Semester konnte er schließlich seine erste Stelle als Goldschmied beginnen. Da   es   in   den   50er   Jahren   noch   schwer   war   seine   Existenz   mit   einem   solchen   Handwerk   abzusichern,   musste   er   sich   beruflich   neu orientieren.   Deshalb   nahm   er   die   Stelle   als   Werbeleiter   bei   der   HO   im   Saalekreis   an.   Als   sich   nach   Jahren   die   Möglichkeit   bot   wieder   als Goldschmied  zu arbeiteten, nutze er diese Chance, um seine Leidenschaft zum künstlerischen Handwerk zu befriedigen. Neue   Inspirationen   bekam   er   durch   seine   Frau   Karin,   die   er      im   Erzgebirge   kennen   lernte.   Sie   machte   ihn   mit   dem   Werkstoff      Holz   vertraut und   inspirierte   Hans   Joachim   Schramm   seine   handwerklichen   Fähigkeiten   hier   anzuwenden.   Dies   war   eine   Bereicherung   für   die   von   seiner Frau im Jahr 1974  in Dölau gegründeten Werkstatt für Kunstgewerbe. Aus   schmucklosen   Baumstämmen   schnitzte   er   Eulen,   Hirsche,   Wildschweine,   Steinböcke   u.a.   Skulpturen.   Für   Tierfreunde   fertigte   er   zur Erinnerung   lebensgroße   Nachbildungen   von   den   verstorbenen   Lieblingen   auf   Basis   von   Fotos   an. Als   kleine   „Serienproduktion“   wurden   zu DDR-Zeiten Nussknacker und Lichterengel gefertigt. Später wurde der Nussknacker durch eine kleine Pyramide ersetzt. Nach   der   Wende   fanden   Urlauber   aus   den   USA,   Japan   und   Frankreich   Gefallen   an   den   Holzarbeiten.   Die   verkauften      Einzelexemplare wurden   Botschafter   der   Holzschnittkunst   aus   Dölau.   Auf   diese   Weise   kamen   Nachfragen   aus   diesen   Ländern   und   trugen   so   die   Zeugnisse der Schrammschen Kunst über tausende Kilometer in ferne Länder. Seine   Liebe   gilt   jedoch   nicht   nur   der   Schnitzkunst.   Seine   zweite   Berufung   sind   das   Schreiben   und   Zeichnen.   Die   Freude   zum   Zeichnen,   die seit   den   Kinderjahren   in   ihm   steckt,   ist   bei   allen   Orientierungsversuchen   nicht   verloren   gegangen.   Schon   nach   seiner Ausbildung   hat   Hans Joachim Schramm  zahllose Illustrationen für Bücher und Journale angefertigt. Neben   den   vielen   Zeichnungen,   die   wir   in   den   „Dölauer   Heften“   finden,   gab   er   zahlreichen Büchern ein schöneres und interessanteres Aussehen. Mit   einem   aufmerksamen   Ohr   für   das   Leben   der   Menschen   hat   er   Geschichten   und   Sagen   des Volkes    zu    Papier    gebracht    und    auch    eigene    Geschichten    geschrieben.    Diese    Sagen    und Erzählungen    wurden    mit    seinen    Zeichnungen    illustriert.    Ein    Beispiel    dafür    ist    sein    Buch „Sagen der Dölauer Heide“. Im   Laufe   der   Jahre   ging   sein   Blick   weit   über   die   Halleschen   Grenzen   hinaus.   Geschichten   über die    Uckermark,    das    Erzgebirge    gehörten    ebenso    zu    seinen   Werken,    wie    Bücher    über    die „Randfichten“   oder   die   Moderatorin   im   MDR-Fernsehen   Marianne   Martin   mit   der   Sendung „So klingt’s bei uns im Arzgebirg“.  Werke von Hans Joachim Schramm: Sagen der Dölauer Heide, Verlag Freiheit Halle 1970 Sagen aus dem Saalkreis, Verlag Freiheit Halle 1970 Von der Dölauer Heide bis Rothenburg/S - Geschichten und Sagen, Verlag Bodo Schwarzberg Halle 1982 Geheimnisse der Uckermark, Eigenverlag 1983 100 Jahre Bäderbahn, Chronik der 900 mm Schmalspurbahn Bad Doberan-Kühlungsborn, Verlag Kulturbund der DDR 1986 Hallesches Magazin 1993-94, Verlag c/o Votum GGR Von der Saalkreisgemeinde Teicha zum Petersberg. Sagen - Bräuche - Geschichten, Verlag Bodo Schwarzberg, Halle 2002 Die Wichtel der Dölauer Heide, Kinderbuch, Druckerei Schulz Teicha 2003 Sagenhaftes aus Landsberg (Heft 1 und 2), Verlag Bodo Schwarzberg Halle 2004  Zauberhafte Dölauer Heide - Sagen und Erzählungen. Projekte-Verlag Halle 2005 Hoppel und Moppel die Hasenkinder (Heft 1 und 2, Kinderbuch), Projekte-Verlag Halle, 2005 Ja, er lebt noch ...: Der Holzmichl und andere Geschichten aus dem Erzgebirge, Projekte-Verlag 188, 2005 Der Wiesenkooz und andere Geschichten,  Projekte-Verlag Cornelius Halle, 2006 Anthologie Jahrbuch für das neue Gedicht,  August v. Goethe Literaturverlag, Frankfurt/M 2006 Besinnliches zur Weihnachtszeit, August v. Goethe Literaturverlag, Frankfurt/M 2006  Stadt Landsberg. Erzählungen und Geschichten aus dieser Saalekreisregion,  Verlag Bodo Schwarzberg. Halle 2007 Die Geschichte der Eselsmühle Halle-Neustadt und zwei Fabeln, Druckerei Schulz Teicha, 2008 Mit Mariane Martin durchs Zwönitztal, Geschichten aus dem Erzgebirge, Projekte-Verlag Halle 2009 Der Schneckenchecker: und andere Erzählungen aus Halle-Neustadt, Projekte-Verlag Halle 2009 Wir danken Herrn Schramm für die bereitgestellten Informationen. (Fotos: B.Wolfermann)
Foto: Bernd Wolfermann Foto: Bernd Wolfermann
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            Gerhard Neumann                     21. Februar 1930 – 24. August 2002 Als der „Verein für Friedhofskultur in Halle und dem Umland e.V.“ am 20.10.2013 eine Führung auf dem Dölauer Friedhof mit Dr. Walter Müller durchführte, verweilte die Gruppe der Geschichtsinteressierten an einem Grab mit der Aufschrift: Gerhard Neumann.        Zur Überraschung vieler Anwesenden erfuhr man, dass dies die letzte Ruhestätte eines bekannten Schriftstellers ist. Wer war Gerhard Neumann? Das Glück führte uns mit seiner Frau Margrit Lenk zusammen, die uns Einblick in sein Leben gab: Er war kein Ur-Dölauer.  Viele Wohnungswechsel lagen – berufsbedingt – hinter ihm, als er 1977 mit Familie nach Halle kam.  Ab 1988 – schon im Rentenalter - bis zu seinem Tod lebte er in Dölau. Doch diese Jahre waren für ihn besonders fruchtbare.    Die Wohnbedingungen, das Umfeld – für seine Tätigkeit boten sich hier die besten Voraussetzungen. In Köthen geboren, wurde Gerhard Neumann nach dem Abitur Schauspieler. Später kam ein Diplom als Theaterwissenschaftler hinzu. Schon mit 22 Jahren setze man ihn - nach einer Schauspieler- und Dramaturgentätigkeit in Bernburg - als Intendant  in Staßfurt ein. Doch bald startete er mit seinem Freund und Kollegen Hans-Albert Pederzani eine Karriere im Krimi-Genre. DIE PREMIERE FÄLLT AUS hieß der erste Bühnen-, Roman- und Filmerfolg des Duos, das sich A.G. Petermann nannte und den frühen DDR-Krimi entscheidend mit geprägt hat. Es gab wohl keine Bühne dieses Landes, auf der DIE PREMIERE nicht AUSFIEL. Vom Theater wechselte Gerhard Neumann zum Film, wurde Dramaturg bei der DEFA  und schrieb eine Reihe Filmdrehbücher – darunter natürlich auch solche für Kriminalfilme. Er blieb, dann ohne seinen Partner, dem Krimi-Genre treu bzw. kehrte – nach neuerlichen Ausflügen ans Theater (als Intendant in Halberstadt, Quedlinburg, Eisleben) und recht erfolgreichen Versuchen mit dem „großen Roman“ (ICH KANNTE CARABAS) – wieder dorthin zurück. Kriminalromane, die hohe Auflagen erreichten, entstanden. In seiner Dölauer Zeit humorige Kriminalerzählungen, kamen etliche, vielfach sehr manche mit deutlichem Halle- Lebewelt der „Goldenen Zwanziger“ Bezug, und beachtliche historische Krimis, die in der Berliner spielen, hinzu. Zudem trat er theoretischen Arbeiten zum Genre mit Kritiken zu neu erschienen Krimis im Rundfunk und mit hervor. ABGESANG hieß sein letzter Kriminalroman. Und mit dem unterhaltsam-besinnlichen Büchlein VORKOMMNISSE - NOTATE AUS SIEBZIG JAHREN  nahm er Abschied von seinen Lesern. In einem Nachruf seines Schriftstellerkollegen Jan Eik heißt es: „Gerhard Neumann, Träger des Georg-Friedrich-Händel- Preises, war ein besonders sprachbegabter und engagierter Schriftsteller, der dank seiner Kollegialität und seiner brillanten Formulierungskunst in der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur schnell Anerkennung fand. Im April 2002 ehrte dieses SYNDIKAT in München Neumanns Lebenswerk mit dem Friedrich-Glauser-Ehrenpreis der Autoren. Mit seinem Tod hat der deutschsprachige Krimi eine seiner interessantesten Stimmen eingebüßt.“ Werke 1952 J.B. Moliere, Georges Dandin, Übersetzung und Nachdichtung, Berlin 1952 Die Premiere fällt aus, Kriminalstück (als A.G. Petermann), Berlin 1953 Was 13 geschah, Schauspiel, Uraufführung Staßfurt 1955 Die Premiere fällt aus, Hörspiel (als A.G. Petermann), Berliner Rundfunk 1956 Treffpunkt Aimée, Kriminalfilm, DEFA 1956 Die Premiere fällt aus, Kriminalroman (als A.G. Petermann), Berlin 1957 Die Hunde bellen nicht mehr, Hörspiel (als A.G. Petermann), Berliner Rundfunk 1957 Spur in die Nacht, Kriminalfilm, DEFA 1957 Poloniaexpress, Spielfilm, DEFA 1958 Die Hunde bellen nicht mehr, Kriminalroman (als A.G. Petermann), Berlin 1959 Die Premiere fällt aus, Kriminalfilm (als A.G. Petermann),  DEFA 1959 Meineid auf Ehrenwort, Kriminalroman (Pseudonym A.G. Petermann), Berlin 1959 Wasser bis zum Hals, Hörspiel (als A.G. Petermann), Berliner Rundfunk 1960 Einer von uns, Spielfilm, DEFA 1960 Museumsraub in Kairo, Kriminalerzählung (Pseudonym Heiner Heindorf), Berlin 1962 Hochverrat, Schauspiel, Uraufführung Halberstadt 1962 Export, Kriminalroman, Berlin 1964 Heinrich Laube Die Karlsschüler, Schauspiel, Bearbeitung und Nachdichtung, Uraufführung Quedlinburg 1970 Hallo Prometheus, Schauspiel, Uraufführung Eisleben 1973 Jenö Gilbes, Paradies der Schwiegersöhne, Operette, Bearbeitung und Nachdichtung, Uraufführung Eisleben 1974 Ein Regenbogen zog voran, Ballettlibretto, Uraufführung Eisleben 1974 Jacques Offenbach, Hoffmanns Erzählungen, Bearbeitung und Neufassung der Dialoge, Uraufführung Rudolstadt 1975 Spiele zum Straßentheater, Uraufführung Eisleben 1977 Adolphe Adam, Der Toréador,  Neuübersetzung und Nachdichtung des Opernlibrettos, Uraufführung Eisleben 1978 Die Reussische Gemme, Kriminalroman, Halle/Leipzig 1979 Adolphe Adam, Der Toréador,  Neuübersetzung und Nachdichtung des Opernlibrettos, Fernsehaufführung Deutscher Fernsehfunk (DFF) 1980 Waterloo, Kriminalroman, Halle/Leipzig 1983 Ich kannte Carabas, Roman, Halle/Leipzig 1986 Koppenreuter kommt nicht, Roman, Halle/Leipzig 1988 Die Vermummten, 33 Stenogramme um einen Mord, Kriminalroman, Halle/Leipzig 1990 Abgesang, Kriminalroman, Halle/Leipzig 1991 Feuerspuren, Kriminalroman, Berlin 1992 Kälte im Nacken, Kriminalerzählung, im Sammelband Der Mörder zieht die Turnschuh an, Dortmund 1993 Hundertjahrestheater, Erzählung im Sammelband Grenzenloses Land, Hildesheim 1993 Die Hassmord-GmbH, Kriminalerzählung, im Sammelband Der Mörder bricht den Wanderstab, Dortmund 1993 Mitwelt-Kränze für die Mimen, literarische Reportage im Sammelband Halle – Kleiner Führer durch Kunst und Kultur, Literaturbüro Sachsen-Anhalt Süd 1993 Sechs Funkessays zur Kriminalliteratur, Deutschlandsender Kultur 1994 Nachtstück, Kriminalerzählung im Sammelband Neue ostdeutsche Krimis, Berlin 1994 Bortzinger Garten, Kriminalerzählung im internationalen Sammelband Weltkrimis-Krimiwelten, Berlin 1995 Die siebente Rippe, Kriminalerzählung im Sammelband Deutschland einig Mörderland, Berlin 1995 Ritter, Tod und Teufel, sieben gesammelte Kriminalerzählungen, Halle 1996 Polnisches Gold, Kriminalroman, Berlin 1996 Ein hallisch-himmlisches Gaukelspiel, Erzählung im Sammelband Stunde der Phantasten, Literaturbüro Sachsen-Anhalt Süd 1997 Mord total , Kriminalroman, Berlin 1998 Klartext   oder   Ernst   Schwetschke   stiehlt   ein   Skalpell ,   Kriminalerzählung   im   Sachsen-Anhalt-Sammelband   Das Kind im Schrank , Leipzig 1998 Vademecum , ein Bericht im Sammelband Wer dem Rattenfänger folgt , Literaturbüro Sachsen-Anhalt Süd 1999 Tabula Rasa , ein Kapitel im Neun-Autoren-Krimi Die allerletzte Fahrt des Admirals , Berlin 2001 Abgesang, presto ... , Kriminalroman, Halle 2002 Vorkommnisse , Notate aus siebzig Jahren , Halle                         (Der Nachlass von Gerhard Neumann befindet sich im Stadtarchiv Halle/S)
Foto: Archiv Margrit Lenk Foto: Archiv Bernd Wolfermann Foto: Archiv Bernd Wolfermann Foto: Archiv Bernd Wolfermann
Dr. Karl Jühling   17. November 1872 – 27. Dezember 1953 Wenn ein Gast nach der  „Villa Jühling“ fragt, kann fast jeder Dölauer Einwohner den Weg zu diesem Haus beschreiben. Der Besucher meint oft nicht unbedingt das Gebäude, sondern das „Evangelische Bildungs- und Projektzentrum“  in der Semmelweisstraße 6, dessen Träger der gleichnamige Verein ist. Warum tragen Haus und Trägerverein diesen Namen? In unserem Fall ist das Ehepaar Dr. Karl Jühling und Gertrud Jühling geb. Stössner der Namensgeber für dieses Gebäude und den Verein. Leider gibt es relativ wenige Informationen über das Leben dieser Beiden, die einen Großteil ihres Lebens hier verbrachten. Einige Hinweise über Karl Jühling findet man in dem Buch von Hans-Jürgen Krisch „Firma Hensel & Haenert - Eine mitteldeutsche Kaffeegeschichte zwischen Hamburg und München“. Diese halleschen Großhandelsfirma hatte ihren Sitz südlich der Ulrichkirche in Halle/S. Oft wird sie, da auch hier Kaffee geröstet wurde, mit der ehemaligen Kaffeefabrik an der Thüringer Straße verwechselt. In dem Familienunternehmen Hensel & Haenert war Karl Jühling viele Jahre in führender Position tätig. Die folgenden Informationen über Karl Jühling wurden zum großen Teil dem angeführten Buch entnommen. 1)   Karl Jühling wurde am 17. November 1872 in Meiningen als zweites Kind des Kaufmannes Hugo Jühling und dessen Frau Marie Sidonie  geb. Zschenderlein geboren. Sein Vater war Mitinhaber der Kaffeerösterei Roth & Sohn in Meiningen. Nach der Schulausbildung schlug Karl Jühling die kaufmännische Laufbahn ein. Im Jahr 1891 bekam er eine Stelle als kaufmännischer Angestellter in der bereits erwähnten Firma Karl Haenert in Halle (Saale). Durch seine umfangreichen kaufmännischen Kenntnisse und strategisches Geschick wurde er von der Eigentümerfamilie bald als Prokurist eingesetzt. In einem Schreiben Karl Haenerts an Geschäftsfreunde und leitende Angestellte der Firma gibt es eine Einschätzung zu dem jungen Karl Jühling. So heißt es: „dass es sich bei ihm um leidenschaftliche Kaffeerösterei  handelt, die jede Neuerung verfolgt, an der Verbesserung der Qualität arbeitet und  die Konkurrenz scharf beobachtet.“ Ständig steigende Gewinne um die Jahrhundertwende bis 1910 zeigen wie erfolgreich die Firma geführt wurde. Das Familienunternehmen Hensel & Haenert endete 1911 mit der Überführung in eine Aktiengesellschaft. Gründer dieser Aktiengesellschaft war  Karl Jühling. Mit dem Erwerb von 410 Aktien der Aktiengesellschaft a 1000 Mark durch Karl Jühling und weiteren 40 Aktien durch seinen Vater Hugo Jühling wurde er in die Lage versetzt Vorsitzender des Vorstandes der Gesellschaft zu werden. Von Vorteil für seine erfolgreiche Geschäftsführung waren mit Sicherheit  Kontakte zu verschiedenen Orienten (Sitzen) von Freimaurerlogen. Hier trafen sich Intellektuelle, führende Kräfte der Wirtschaft, des Militärs und der Verwaltung. Über diese persönlichen Kontakte entstanden viele Geschäftsabschlüsse. In der Bruderkette „Zu den drei Degen“ konnte Karl Jühling am weitesten in der Hierarchie aufsteigen. Er wurde am 06. Februar 1914 als Mitglied des ersten Grades in die Loge aufgenommen. In den Jahren 1931 bis 1932, kurz vor der Auflösung der deutschen Logen durch die Nationalsozialisten, gehörte Jühling dem Ehrenrat, der Prüfungs- und Weinkommission an und übte das Amt des Kellermeisters aus. Karl Jühling war zugleich auch Ehrenmitglied der Großen Nationalen Mutterloge „Zu den  Drei Weltkugeln“. Probleme in der von ihm geführten Firma traten mit dem Ersten Weltkrieg auf. Der Handel mit anderen Ländern kam zum Erliegen. Einfache Lebensmittel und Ersatzstoffe nahmen nun den Platz der importierten Waren ein. Während des Krieges setzte die Stadt Halle Karl Jühling als kaufmännischen Leiter des Stadternährungsamtes ein. Er betreute die Verteilung der auf dem Firmengelände gelagerten zwangsbewirtschafteten Lebensmittel. Unter seiner Leitung überstand die Firma auch die Währungsinflation Anfang  der 20er Jahre und später die Weltwirtschaftskrise. Karl Jühling hat vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten als Mitglied der Handelskammer in der Wahlgruppe Großhandel gearbeitet. Zusätzlich begleitete er über Jahre das Amt eines Handelsrichters. Persönlich entstand Mitte der 20er Jahre der Wunsch den Wohnsitz aus der Stadt (Kleine Brauhausstraße 24/25) zu verlegen. Das persönliche Vermögen ermöglichte ihm ein Grundstück in  Dölau am Rande der Heide zu erwerben. Hier ließ er 1928/29 sein Wohnhaus 3) , die heutige „Villa Jühling“ errichten. In den Jahren des Nationalsozialismus, der Zeit von Importverboten an Kolonialwaren, gelang es unter seiner Leitung den Warenhandel geschickt umzugestalten und die Firma vor Verlusten zu schützen. Als Leiter der Geschäftsführung hat sich Karl Jühling stets für die Belange der Angestellten und Arbeiter eingesetzt und diese über Tarif bezahlt. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges schuf Karl Jühling die „Jühling-Stiftung“, die sich die Aufgabe stellte, die soziale Lage der Mitarbeiter und ihrer Familien zu verbessern. Diese Sorge um das Wohlergehen der Beschäftigten zeugt vom verantwortungsbewussten Handeln des Geschäftsführers. In den harten Jahren des  Zweiten Weltkrieges zeugen Nachweise von freiwilligen Sonderzuwendungen an die Mitarbeiter in Höhe von 10 bis 20 % der Lohnkosten von der sozialen Einstellung des nun schon 70-jährigen. Als der Krieg 1945 beendet war, führte Karl Jühling die Aktiengesellschaft unter den veränderten Bedingungen im Osten Deutschlands weiter. Wegen verordneter Betriebseinschränkungen zog man den Schluss die Firma in der bisherigen Form nicht mehr so weiterzuführen. Neben einer Verkleinerung der Firma wurden in der Aufsichtsratssitzung am 19. November 1950 umfangreiche personelle Veränderungen vorgenommen. So schied Karl Jühling im Alter von 78 Jahren am 31.12.1950 aus der Firma und zog sich in das Privatleben zurück. 1952 überschrieb er das Grundstück samt seiner Gebäude der Kirchengemeinde Lieskau. 3)   Vereinbart wurde dabei, dass das Ehepaar Jühling lebenslanges Wohnrecht behalten sollte. Karl Jühling starb ein Jahr später am 27.12.1953 mit 81 Jahren. Seine Frau lebte bis zu ihrem Tod am 27.01.1971 im  Obergeschoß des Hauses in der Semmelweisstraße 6. Den Grabstein des Ehepaares  Jühling findet man heute neben der Villa Jühling. Quellen: 1)  Hans-Jürgen Krisch,  Firma Hensel & Haenert-Eine mitteldeutsche     Kaffeegeschichte zwischen Hamburg und München 1820-1980,    Verlag H.-J. Krisch, Halle/S. 2005 2)  Foto von Karl Jühling aus dem Archiv des Vereins: „Evangelische Bildungs- und     Projektzentrum Villa Jühling e.V.“ 3)  Internetseite des Vereins: „Evangelische Bildungs- und Projektzentrum Villa    Jühling e.V.“ 4)  Fotos der „Villa Jühling“ und des Grabsteins des Ehepaares Jühling sind aus    dem Archiv von Bernd Wolfermann
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Foto: Archiv "Evangelische Bildungs- und Projektzentrum Villa Jühling e.V." Foto Bernd Wolfermann Foto: Bernd Wolfermann
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Klaus-Jürgen Hofer  21.11.1941 - 14.01.1987 Peter Ibe, der  erste hauptamtliche Naturschutzwart der DDR, bezeichnete Klaus-Jürgen Hofer als den  „Grzimek der DDR“ 1) . Den Namen des in Marienwerder (heute Kwidzyn, Polen) geborenen Tierfilmers findet man immer wieder, wenn man in Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Natur- und Tierfotografie blättert. Selbst in rückblickenden Bewertungen über den DDR-Tierfilm heißt es: „Fernsehserien wie Tierparkteletreff, Der gefilmte Brehm, Rendezvous mit Tieren, Waidmannsheil oder Einzelsendungen z.B. von Klaus Meinhardt und Klaus Jürgen Hofer waren bei den Zuschauern beliebt.“ 2) Klaus Jürgen Hofer kam mit den vielen Flüchtlingen am Ende des zweiten Weltkrieges aus seiner westpreußischen Geburtsstadt nach Dölau. Die Mutter des vierjährigen Jungen war schon früh verstorben, so dass er mit seinem Vater und dessen Bruder in unserem Ort eine neue Heimat fand. Der weitere Werdegang des Jungen unterschied sich sicherlich nicht von dem anderer Kinder. Ehemalige Mitschüler der Dölauer Schule erinnern sich, dass er ein besonderes Interesse an Pflanzen und Tieren hatte. In der heimischen Wohnung wurde von den Erwachsenen sehr viel Wert auf Grün, Pflanzenzucht und deren Pflege gelegt. Ein Anziehungsobjekt für den jungen Klaus-Jürgen waren die hiesigen Aquarien. Mit Ausdauer beobachtete er das Verhalten der Fische in dieser gläsernen Welt. Von seinem Onkel angeregt, der ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf war, zog es ihn mit einem Fotoapparat in die Dölauer Heide um Tiere zu fotografieren. Da die Heide von der Wohnung, in der jetzigen Wilhelm-Biel- Straße, in Blickweite lag, war es nur ein Katzensprung dorthin. Dieses Hobby faszinierte ihn offensichtlich schon als Junge und er zog es allen anderen Freizeitbeschäftigungen vor. Ob in den Schuljahren von 1948 bis 1956 bereits der Wunsch entstand einmal Tierfotograf zu werden, wäre reine Spekulation. Zumindest hat er sich nach der 8.Klasse  (An der Dölauer Schule wurde zu dieser Zeit nur bis zur 8.Klasse unterrichtet.) für den Abschluss der Mittelschule in Halle entschieden. Nach der 10.Klasse begann er eine Lehre als Fernsehmechaniker und arbeitete bei der „PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) Radio und Fernsehen“ in Halle. Während der Lehre wandte sich Klaus-Jürgen Hofer einem neuen Hobby zu. Einer seiner sportbegeisterten Nachbarn gewann ihn für den Skisport. Er wurde Mitglied der BSG Einheit Mitte Halle, Abteilung Wintersport. Eine sicherlich ungewöhnliche Sportart für unsere Breiten. Aber beim ASK (Armeesportklub) Oberhof organisierte der hallesche Sportverein Skiroller. Diese wurden für die jungen Sportler das Trainingsgerät in den Zeiten ohne Schnee. Mancher Bewohner der heutigen Otto-Kanning-Straße erinnert sich noch, wie Klaus-Jürgen Hofer mit einer Bleiweste umschnürt, schwitzend, die in dieser Zeit noch wenig befahrene Straße auf und ab fuhr. Die Haupttrainingsstrecke für die insgesamt vier trainierenden Dölauer waren jedoch die asphaltierten Wege in der Dölauer Heide. Als Klaus-Jürgen Hofer in die Männerklasse aufsteigen konnte, bildeten die Sportler eine eigene Staffel. Immerhin erkämpften die vier Amateure bei den von der GST (Gesellschaft für Sport und Technik) organisierten Bezirksmeisterschaften 1967 den Bezirksmeistertitel (Bezirk Halle). Zwar gab es Bestrebungen seitens des ASK (Armeesportklub) Oberhof die Amateure für eine intensive Ausbildung im Biathlon in Oberhof zu gewinnen, aber die Sportler entschieden sich dagegen. Noch vor seinem 30.Geburtstag wendete sich Klaus-Jürgen Hofer wieder seiner einstigen Leidenschaft zu. Seine Tierbeobachtungen gingen nun über die Dölauer Heide hinaus.  Die Liebe zur Natur führte ihn in interessante Landschaften der DDR. Mit dem Abkommen über den visafreien Reiseverkehr  zwischen der DDR und Polen ergaben sich für den Amateurfotografen ab Januar 1972 neue Möglichkeiten. Schon als Kind hatte er den leidenschaftlichen Erzählungen von Vater und Onkel über die Schönheit seiner ursprünglichen Heimat aufmerksam zugehört und eine gewisse Neugier entwickelt. Nun konnte er sich selbst unbürokratisch von der Schönheit der Masuren und deren Tierwelt überzeugen. Vorerst waren Reisen in diese Gebiete zeitlich begrenzt. Neben seinem Beruf blieben für solche Interessen nur die Wochenenden und die Urlaubszeit. Eines seiner ersten  Projekte, die er umsetzte, war ein Film über die Großtrappen und Biber. Hier arbeitete er mit dem anfangs zitierten Peter Ibe zusammen. In Peter Ibe fand er einen Gleichgesinnten, der ihn und seine damalige Lebenspartnerin in die Masuren begleitete. Dieser sagte in einem Interview: „Ihm (Hofer) habe ich das Faible für die 6x6-Fotografie zu verdanken.“ 1)   Ein weiterer wichtiger Reisebegleiter war  seine Dresdner Spiegelreflexkamera „Pentacon six“. Diese ergänzte er später durch zwei 16 mm-Filmkameras AK 16 aus Jena und ein polnisches Tonbandgerät. Seine im Film festgehaltenen Tieraufnahmen weckten in diesen Jahren die Aufmerksamkeit des Fernsehens. Mit der Erweiterung des Fernsehprogramms und dem steigendem Interesse der Zuschauer für Tiersendungen fand er hier einen Abnehmer seiner Filme und Dokumentationen. Es ist zu vermuten, dass dieses Interesse Klaus- Jürgen Hofer inspirierte, seine Tierbeobachtungen auszudehnen. Glück hatte er offenbar bei seinem Arbeitgeber, der ihm die Möglichkeit gab, seinen Urlaub so zu gestalten, dass längere Expeditionen möglich wurden. Um die notwendige Aufnahmetechnik, Ausrüstung und Lebensmittel zu transportieren kaufte er sich einen Lada und einen speziellen Anhänger. Diese Sonderanfertigung baute ihn der Dölauer Handwerksmeisters Karl-Heinz Zeidler. Die Möglichkeit seine Filme und Berichte dem Fernsehen zu verkaufen, führten schließlich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu der Entscheidung sein Hobby zum Beruf zu machen. Inzwischen hatte er einen innerbetrieblichen Lehrgang an der Betriebsakademie des Fernsehens absolviert, um seine Kenntnisse zur Kamera- und Aufnahmetechnologie zu erweitern. Positive Resonanz fanden seine Arbeiten über Gegenden an der Ostsee beim Brockhaus Verlag in Leipzig. Dieser wurde Hauptpartner von Hofer. Im Buchhandel erschienen mehrere Auflagen dieser Bildbände. Begleiter seiner Reisen waren neben seiner Lebensgefährtin auch Freunde und Bekannte, wie z.B. Uwe Steinweg und Wolfram Taubert. Bei umfangreicheren Planungen engagierte er sogar  Mitarbeiter des Fernsehstudios Halle. Seine Arbeiten wurden in diesen Jahren nicht nur im Fernsehen, sondern auch in wissenschaftlichen Fachkreisen bekannt. So begleitete er als Kameramann unter anderem Exkursionen von Wissenschaftlern der Martin- Luther-Universität Halle in die Mongolei. Diese und andere Reiseberichte liefen dann im Ersten Programm des DDR-Fernsehens und im Bayrischen Fernsehen. Bei einem Klassentreffen im Jahr 1986 im Dölauer „Café Hartmann“, dem heutigen Waldhotel, berichtete er seinen ehemaligen Mitschülern noch von seinen weiteren Projekten. Eine Planung, die er nicht mehr umsetzten konnte. Bei den üblichen Vorbereitungen und einer damit verbundenen Fahrt nach Berlin wurde er im Januar 1987 Opfer eines Verkehrsunfalles. Dieser ereignete sich auf der Autobahn in der Nähe von Dessau. Der zu dieser Zeit mit Frau Andrea und Söhnen Thilo und Falk in Lieskau wohnende Klaus-Jürgen Hofer verstarb im Alter von 45 Jahren noch am Unfallort. Werke: Haustiere, VEB Postreiter Verlag Halle 1978 Im Donaudelta, Verlag: VEB F.A. Brockhaus Verlag, Leipzig, c. 1979. Ein Jahr in Masuren, 1.Auflage VEB F.A. Brockhaus Verlag Leipzig, DDR, 1981  Zauberfalter, Bilderbuch  Mitautor Winfried Völlger, VEB Postreiter Verlag Halle 1981 Haustierkinder, VEB Postreiter Verlag Halle 1982 Rügen – Bilder einer Insel, Verlag VEB F.A. Brockhaus Verlag Leipzig DDR , 1985 Fischland, Darss, Zingst, VEB F.A. Brockhaus Verlag Leipzig DDR , 1986 Reiseberichte: Mongolische Landschaften, 1986, sechsteiliger Reisebericht  Erstausstrahlung 02.08.1986 im TV-DDR Das Donaudelta, Tierfilm für den Deutschen Fernsehfunk der DDR Auf Biberfang am Bulgan-Gol - Impressionen einer Expedition im Land der Jurten Serienproduktionen für das Fernsehen: Königsfischer Eisvogel, 1978 Auf den Spuren des Elbe-Bibers, 1979 Faszination Donaudelta Teil 1, 1979 Faszination Donaudelta Teil 2, 1979 Faszination Donaudelta Teil 3, 1980 Naturschutzgebiete unserer Heimat – Teil 1 Niederungen zwischen Brandenburg und mittlerer Elbe 1981 Naturschutzgebiete unserer Heimat – Teil 3 In den Wäldern der Mecklenburger Seenplatte, 1981 Heimat zwischen Meer und Gebirge - In der Aue der Mittleren Elbe, 1981  Im schönsten Tal des Pamir Teile 1-3, 1981-1985 Einzelbeiträge in Sendungen wie Tierparkteletreff, Der gefilmte Brehm, Rendezvous mit Tieren oder Waidmannsheil Sonstige Veröffentlichungen: Seine Bilder findet man in verschiedenen Fachzeitschriften oder Veröffentlichungen. Beispiele sind die Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Arten- und Biotopschutzprogramm Sachsen-Anhalt. Landschaftsraum Elbe, Bilderpräsentationen der „Preußen-Mediathek“  (https://youtu.be/dq74gLiEo8s) u.a. mehr. Quellen: 1) Mitteldeutsche Zeitung, 04.03.2019 2) www.artechock.de/dokfestival/2001/programm/ddr.htm Bildnachweis: Foto 1, 5, 6 Archiv Uwe Steinweg Foto 2, 3  Archiv ElviraTroll Foto 4 Archiv Werner Thum Ein besonderer Dank für die umfangreichen Informationen zum Leben von Klaus-Jürgen Hofer gilt Renate Pforte, Elvira Troll, Gunther Beck, Uwe Steinweg, Werner Thum und Wolfram Taubert.     Bernd Wolfermann, Januar 2020
Foto: Archiv Uwe Steinweg
Foto 1
Foto: Archiv Elvira Troll
Foto 2:   1.Klasse, Jahrgang 1948 der Dölauer Schule              Klaus-Jürgen Hofer links, stehend
Foto: Archiv Elvira Troll
Foto 3:  8.Klasse im Jahr1956 vor der Dölauer Schule      Klaus-Jürgen Hofer, hintere Reihe, 3.von links
Foto: Archiv Werner Thum
Foto 4 Siegermedaille von Klaus-Jürgen Hofer Bezirksmeister- schaft in der Staffel 1967
Foto: Archiv Uwe Steinweg
Foto 5:  Klaus-Jürgen Hofer (l.) mit Begleiter Uwe                Steinweg (3.v.l) und rumänischen Freunden          1974 im Donaudelta
Foto: Archiv Uwe Steinweg
Foto 6
Karl-Heinz Hartmann      11.01.1935 – 17.10.2006 Kommt   man   mit   Einwohnern   eines   Ortes   über   Geschichte   und   Menschen   ins   Gespräch,   so   wird   oft über   ein   sogenanntes   „Urgestein“   geredet.   Um   es   vorweg   zu   nehmen,   ein   Solches   war   Karl-Heinz Hartmann.   In   seinen   71   Lebensjahren   engagierte   er   sich   viele   Jahre   ehrenamtlich   und   selbstlos   für das kulturelle Leben in Dölau. 1935   wurde   er   in   dem   1927   von   seinen   Eltern   gebautem   Haus   im   Heideweg   geboren.   Er   wuchs   in Dölau   auf   und   besuchte   hier   die   Schule.    „Kalle   war   ein   guter   Kamerad,   frei   von   Hinterhältigkeit   und Intrige,    pfiffig,    ideenreich    und    fast    immer    gut    gelaunt“,    charakterisierte    ihn    sein    Freund    und Mitschüler   Klaus   Uhrbach.   Wie   in   dieser   Zeit   üblich,   hieß   es   dann   mit Abschluss   der   8.Klasse   eine passende    Lehrstelle    zu    finden.    Mit    14    Jahren    begann    er    eine    Lehre    im    RAW    (Reichsbahn- Ausbesserungs-Werk)   Halle. Als   Lokschlosser   arbeitete   er   nicht   lange.   Eine   Werbeaktion   der   Bahn für   Heizer   von   Dampflokomotiven   war   für   den   jungen   Karl-Heinz   Hartmann   die   Gelegenheit   in   den Führerstand      einer      dieser      großen      Dampf- maschinen   zu   gelangen.   Er   sagte   zu   und   begann als   Lokhelfer   auf   einer   dieser   Lokomotiven.   Es sollte     für     ihn     eine     Tätigkeit     auf     Lebenszeit werden.    Seine    Liebe    zur    Bahn    forderte    ihn heraus.     Er     wollte     nicht     nur     als     Heizer     im Führerstand   tätig   sein,   sondern   eine   Lok   selbst   führen.   Nach   Probezeit   und Qualifikation    konnte    er    seinen    Traum    als    Lokführer    verwirklichen.    In    den folgenden    Jahren    beherrschte    er    die    Technik    der    Diesel-,    als    auch    der Elektroloks.     Als     er     sich     zum     Gruppenlokführer     qualifizierte,     hatte     er regelmäßige   Arbeitstage   und   somit   mehr   Zeit   für   seine   zweite   Leidenschaft, die     Musik.     Er     spielte     zwar     Akkordeon,     fühlte     sich     jedoch     zu     der                 aufkommenden    Unterhaltungsart    des    Schallplattenunterhalters,    abgekürzt SPU,   hingezogen   (im   englischen:   disc   jockey,   Kurzform:   DJ;   in   der   DDR   hieß es     „staatlich     geprüften     Schallplattenunterhalter“).     Karl-Heinz     Hartmann     absolvierte     einen     Eignungstest     und     einen Grundlehrgang    mit    anschließender    staatlicher    Prüfung    bei    dem    dafür    zuständigen    Kreis-    bzw. Stadtkabinett   für   Kulturarbeit.   Als   „staatlich   geprüfter   Schallplattenunterhalter“   durfte   er   nun   öffentlich Tonträger      abspielen,   musste   jedoch   regelmäßig   an   Weiterbildungsveranstaltungen   teilnehmen,   um seine   Lizenz   zu   behalten.   Die   höchste   Einstufung   legte   er   1980   ab.   Zum   Einsatz   kam   er   hauptsächlich am    Wochenende.    Im    „Café    am    Heiderand“,    im    Dölauer    Sprachgebrauch    „Café    Hartmann“    (der Besitzer    Wilhelm    Hartmann    war    nur    ein    Namensvetter),    sorgte    Karl-Heinz    Hartmann    für    die musikalische   Umrahmung   der   Tanzveranstaltungen.   Nachdem   sein   Cousin   Horst   Hartmann   1977   das von   der   HO   erworbene   Restaurant   als   Leiter   führte,   setzte   er   die   musikalische   Unterhaltung   fort.   1978 trat   er   dem   Verkehrssicherheitsaktiv   bei   und   übernahm   den   Bereich   Kultur.   Mit   seinen   Veranstaltungen sorgte      damals      das      Verkehrssicherheitsaktiv      für      kulturelle      Höhepunkte      in      Dölau      (von Tanzveranstaltungen   bis   Rentnerfahrten).   Die   Organisation   lag   mit   in   den   Händen   von   Kalle,   wie   er von   seinen   Freunden   und   Mitstreitern   kurz   genannt   wurde.   Um   das   Kulturleben   reicher   zu   gestalten, regte   er   beim   Wohnbezirksausschuss   der   „Nationalen   Front“ 1)   in   Dölau   die   Gründung   eines   „Klubs   der   Werktätigen“   an.   Als Leiter    diesen    Klubs    bereitete    er    die    Wiederbelebung    der früheren   Heidefeste   im   „Heidekrug“   vor.   Schon   1982   fand   in Dölau    das    1.Heidefest    statt.    Die    Heidefeste    wurden    in    den Folgejahren   über   die   Ortsgrenze   Dölaus   bekannt   und   erfreuten   sich   großer   Beliebtheit. 2)       Im   Umfeld   von   Dölau   gab   es   bereits   seit   Jahrzenten   einige   Karnevalvereine.   Dieses Metier    begeisterte    Kalle    so    sehr,    dass    er    auch    in    Dölau    die    Gründung    eines Karnevalvereins   anregte.   Dazu   konnte   er   die   Mitglieder   des   Verkehrssicherheitsaktivs überzeugen.   „Die   Mitglieder   des   Verkehrssicherheitsaktivs   bildeten   dann   auch   den   Kern des   ersten   Elferrates   unter   Leitung   seines   Präsidenten   Karl-Heinz   Hartmann.“ 3)    Der „Carnevals   Club      Blau-Silber   Dölau   e.V.“   war   wohl   sein   Lieblingskind.   Hier   engagierte   er sich aufopferungsvoll bis zu seinem Tod. Erwähnenswert   ist   auch   die   Periode   um   1990.   Mit   dem   Beitritt   der   DDR   zur   BRD   wurden die    gesellschaftlichen    Strukturen    vollständig    verändert.    Der    „Klub    der    Werktätigen“    musste    aufgelöst    werden.    Um    einen zukünftigen Träger   für   die   kulturelle Arbeit   in   Dölau   zu   haben,   gründete   Karl-Heinz   Hartmann   am   10.08.1990   den   „Heimatverein Dölau“, dessen Vorsitz er ebenfalls übernahm. Mit   seinem   Tod   im   Jahre   2006   verlor   Dölau   einen   Menschen,   der   nicht   das   Private   in   den   Vordergrund   stellte,   sondern   immer für andere zur Verfügung stand und versuchte seinen Mitmenschen frohe und unterhaltsame Stunden zu verschaffen. (B.W., Jan. 2018) 1) Die „Nationale Front“ war ein Zusammenschluss aller Parteien und Massenorganisationen in der DDR mit örtlichen Strukturen 2) Weitere Informationen über den „Klub der Werktätigen“ finden man in Nr.10 der „Dölauer Hefte“ (Dölauer Vereine) 3) Zitat aus „Dölauer Vereine“, S.195 (Dölauer Heft Nr. 10)
Foto: Archiv Fam. Hartmann Foto: Archiv Fam. Hartmann Foto: Archiv Fam. Hartmann Foto: Archiv Fam. Hartmann
Foto der Klasse von Karl-Heinz Hartmann im Frühjahr 1949
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Karl-Heinz Hartmann mit seiner „Disko am Heiderand“
Karl-Heinz Hartmann mit Klaus Zimmermann in den 80er Jahren
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Dr. Jörg-Thomas Wissenbach geboren am 11. Januar 1955 Wenn   Dölauerinnen   oder   Dölauer   in   einem   Plausch   zufällig   auf   die   Geschichte   ihres Ortes zu sprechen kommen, fällt unweigerlich an einer Stelle auch der Name Dr.   Wissenbach.   Seinen   Namen   verbinden   die   EinwohnerInnen   unseres   Stadtteils   in erster   Linie   mit   den   „Dölauer   Heften“   und   den   im   Waldhotel   oder   im   Gemeindehaus stattgefundenen Vorträgen über die Historie Dölaus. Dr.   Wissenbach,   geboren   am   11.   Januar   1955   in   Halle,   wuchs   im   Paulusviertel   auf,   hat in     Halle     sein     Abitur     gemacht,     studiert     und     anschließend     im     internationalen Wirtschaftsrecht   promoviert.   Für   dieses   Fachgebiet   war   er   von   1984   bis   1987   als   Dozent   in Angola   und   hat   anschließend   eine Habilitationsschrift     zur     internationalen     Atomhaftung     vorgelegt.     Durch     die     Abwicklung     der     Sektion     Staats-     und Rechtswissenschaften   der   Martin-Luther-Universität   Halle-Wittenberg   musste   sich   Dr.   Wissenbach   neue   Betätigungsfelder suchen.   Seit   1992   ist   er   als   Rechtsanwalt   in   eigener   Kanzlei   tätig   und   hat   bei   den   verschiedensten   Bildungseinrichtungen   als Dozent    gewirkt.    Im    Dezember    1993    eröffnete    er    in    einem    von    ihm    sanierten    Haus    in    Dölau    seine   Anwaltskanzlei    und engagierte   sich   als   Herausgeber   der   Festzeitung   zum   100.   Gründungsjubiläum   der   Freiwilligen   Feuerwehr   Dölau   im   Jahr   2005 und    als    Organisator    der    Festzeitung    zum    30.    Jubiläum    des    Dölauer Carnevalsvereins   „Blau-Silber“   im   Jahr   2010.   Sein   Interesse   an   der   Dölauer Heimatgeschichte   wurde   durch   sein   Bemühen   geweckt,   im   Jahr   2010   eine Chronik   der   verschiedenen   gewerblichen   Nutzungen   seines   Hauses   in   der Franz-Mehring-Straße    vorzulegen.    Bei    der    Suche    nach    Bildern    aus    der Entstehungszeit    1910    bei    Nachbarn    erfuhr    er    viele    Details    zur    überaus wechselvollen   Geschichte   der   früheren   Kirchstraße   und   hat   die   Geschichte seines   Hauses   auf   diese   das   Hut-   und   Kopftuchviertel   in   Dölau   verbindende Straße   erweitert.   Die   Vorstellung   dieser   A4-Broschüre   im   Waldhotel   und   in der   Kirchgemeinde   stieß   auf   derart   großes   Interesse,   dass   die   Idee   geboren wurde, auch weitere Themenbereiche in Dölau in Heftform vorzustellen. Auf    seine    Initiative    kam    es    am    09.12.2011    zum    ersten    Treffen    von Hobbyhistorikern   aus   Dölau   und   dem   Umfeld   (ehemalige   Dölauer).      Hier präsentierte   er   die   Idee   über   die   Schaffung   einer   Publikationsreihe.   Dieser konzipierten   Reihe   legte   er   schließlich   12   Themen   zu   Grunde.   Für   jedes Heft gelang es ihm Fachleute und Autoren zu gewinnen. Jeweils   im   Frühjahr   und   im   Herbst   der   Jahre   2012   bis   2017   wurde   dann   ein   neues   Dölauer   Heft   veröffentlicht   und   in   jeweils dem   Thema   angemessener   Form   in   Lichtbildervorträgen   vorgestellt. Die   dabei   erforderlichen   Requisiten   sowie   die   Schaufenstergestaltung im     Waldhotel     hat     er     zeitaufwändig     selber     gebaut.     Speziell     die alteingesessenen    Dölauer    wissen    es    zu    würdigen,    dass    mit    dieser Heftreihe    die    gerade    noch    erreichbaren    Erinnerungen,    aber    auch Dokumente       zur       Dölauer       Heimatgeschichte       gesammelt       und veröffentlicht    werden    konnten.    Als    Ehrenmitglied    der    Freiwilligen Feuerwehr    sorgt    Dr.    Wissenbach    bei    jeder    Versammlung    für    einen kulturellen   Beitrag.   Bei   sogenannten   Nachtwächterrundgängen   hat   er Interessenten    die    Schul-    oder    Landwirtschaftsgeschichte    von    Dölau vorgestellt    oder    zusammen    mit    dem    Landesheimatbund    Führungen durch   die   Dölauer   Kirchen   oder   die   Dölauer   Heide   mitgestaltet. Auch   in den nächsten Jahren will er sich für den Ortsteil engagieren.   Halle, im Februar 2018
Aufnahme zur Präsentation des 4. Dölauer Heftes im Dezember 2013, Foto: Thomas Meinicke Foto: Bernd Wolfermann Foto: Bernd Wolfermann Foto: Bernd Wolfermann
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Prof. Dr.-Ing. habil. Hans Dresig                                                            31.Januar 1937 - 25.April 2018   Wenn wir in unserer Serie „Dölauer*innen“ Personen vorstellen, die in unserem Ort geboren     wurden oder hier gelebt haben, so gehört auch Prof. Dr.-Ing. habil. Hans Dresig dazu.   Er war einer der bekanntesten Maschinenbauingenieure und Fachmann auf dem Gebiet der     Maschinendynamik. Am 31.01.1937 erblickte er in Dölau das Licht der Welt.   Seine Eltern waren Marie Emmi Dresig, geb. am 17. 9. 1903 in Dölau und Max Erich Dresig,    geb. am 4. 5. 1903 in Bronkow, Stellmachermeister aus Halle.   Marie Emmi, geborene Arndt, arbeitete als Blumenbinderin bis zu ihrer Heirat (27. 2. 1936   in Dölau) in der familiären Gärtnerei der Lettiner Straße 38 (heute Elbestraße), die von ihrem    Bruder Walter Arndt geführt wurde. Dieses Familienunternehmen wurde um  ca. 1900 von                   Friedrich Arndt gegründet. Nach der Hochzeit von Emmi Arndt und Erich Dresig wohnte Erich einige Zeit mit in der Gärtnerei und arbeitete aber als Stellmachermeister beim Karosserie- und Fahrzeugbau Franz Dresig, einem Verwandten der Familie. Nach der Geburt ihres Sohnes Hans zogen sie bald nach Halle in die Krondorfer Straße 6. Hans Dresig wuchs in den folgenden Jahren in Halle auf und kam mit seinen Eltern nur noch zu Familientreffen nach Dölau. Nach dem Schulabschluss bot sich für ihn die Möglichkeit an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät Halle die Hochschulreife zu erlangen.    Anschließend studierte Hans Dresig von 1954 bis 1960 an der     Technischen Universität  Dresden. Danach arbeitete er als     wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mechanik der Technischen Universität Dresden und promovierte dort 1965 mit dem Thema „Ermittlung dynamischer Belastungen an Wippdrehkranen“. Von 1965 bis 1969 war er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und danach als Leiter für Forschung und Entwicklung im Kranbau Eberswalde tätig. 1970 wurde Hans Dresig als Hochschuldozent für Maschinendynamik an die Technische Hochschule Karl-Marx-Stadt berufen. Seine Dissertation B mit dem Thema „Beitrag zur Optimierung der Bewegungsabläufe in der Maschinendynamik“ verteidigte er 1971 an der Technischen Universität Dresden. Während seines sechsmonatigen Zusatzstudiums 1975/1976 am Moskauer Textilinstitut knüpfte er zahlreiche Kontakte zu russischen Fachkollegen, aus denen sich in den Folgejahren eine enge, wissenschaftliche Zusammenarbeit entwickelte. Als Nachfolger von Professor Dr. H. Göcke wurde Hans Dresig 1978 zum Professor für Technische Mechanik an die Technische Hochschule Karl-Marx-Stadt und nach der politischen Wende 1992 zum Professor für Maschinendynamik/Schwingungslehre an die Technische Universität Chemnitz berufen. 4) Nach dem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2002 war er freiberuflich als Referent, Berater und Gutachter tätig. Von 2009 bis 2013 lehrte er als Gastprofessor an der Fakultät Maschinenbau der Landwirtschaftlichen Universität Nanjing in China.   Für sein Engagement bei der Erarbeitung von VDI-Richtlinien wurde Hans Dresig 1999 mit der Fritz-Kesselring-Ehrenmedaille  des VDI ausgezeichnet. 2) Prof. Dr.-Ing. habil. Hans Dresig verstarb am 25. April 2018 in Auerswalde. Er hinterließ seine Ehefrau Barbara Dresig, die Tochter Almuth und Söhne Frank und Friedmar. Veröffentlichungen: H. Dresig, I. I. Vulfson: Dynamik der Mechanismen, Deutscher Verlag der Wissenschaften,   Berlin 1989 H. Dresig, F. Holzweißig: Maschinendynamik, Springer-Verlag (Standardwerk                                         Maschinendynamik) H. Dresig, A. Fidlin: Schwingungen mechanischer Antriebssysteme: Modellbildung,                                  Berechnung, Analyse, Synthese. 3. Auflage. Springer Vieweg, 2014 H. Dresig, M. Beitelschmidt: Maschinendynamik – Aufgaben und Beispiele. 2. Auflage.                                             Springer Vieweg, 2017  Quellen: 1)  Adressbuch Halle (Saale) 1941, Seite I-061 2)  https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Dresig 3)  Fotos:  Barbara Dresig 4)  Nachruf des Instituts für Mechanik und Thermodynamik der Technischen Universität Chemnitz, http://www.hans.dresig.de/
· · · · Foto: Archiv Barbara Dresig Foto: Archiv Barbara Dresig
Auszug Adressbuch Halle (Saale) 1941 1)
Auszug Adressbuch Halle (Saale) 1941 1)
Eltern von Hans Dresig 1937 in Dölau 3)
Fotoausschnitt: Archiv Karl-Heinz Thate Bild in Privatbesitz
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Dr. Helga Einsele   geb. Hackmann                 09. Juni 1910 – 13. Februar 2005 Wolfgang Abendroth, der erste Marxist auf einem bundesdeutschen Lehrstuhl und Ziehvater der BRD-Linken, würdigte in seinem autobiographischen Gesprächsprotokoll "Ein Leben in der Arbeiterbewegung" (Frankfurt/M. 1976) Einsele als "die hervorragende Spezialistin für einen humanen Strafvollzug". Sie stand für Emanzipation, Humanisierung des Strafvollzugs und linke Politik jenseits der Parteiraison. Ihre Lebensgeschichte ist zugleich ein Zeitdokument, in dem die Geschichte des demokratischen Sozialismus in Deutschland, als Teil einer Jahrhundertbilanz, mit eingegangen ist. 1) In Dölau am 9. Juni 1910 geboren, wohnte Helga Einsele in den ersten Kinderjahren mit ihren Eltern Frieda und Dr. Friedrich Hackmann in der Kirchstraße 9 (heute Franz-Mehring-Straße). Registriert ist ihre Taufe in den Unterlagen der evangelischen Gemeinde Dölau am 01. September 1910. 2) Ihr Vater, der vom 01.10.1908 an den Franckeschen Stiftungen in Halle/Saale unterrichtete, wurde durch den Kriegsdienst 1914 aus seiner Lehrtätigkeit herausgerissen. Als er am 01.10.1918 die Stelle als Direktor des Makensengymnasiums in Torgau übernehmen konnte, verlegte die vierköpfige Familie ihren Wohnsitz hierher. Bereits fünf Jahre später am bot man dem Familienvater die Stelle eines Oberstudiendirektor am Johanneum Lüneburg an. Dort besuchte sie wie ihre Schwester Erdmuthe (ebenfalls am 19.02.1913 in Dölau geboren) das Johanneum, eines der ältesten Gymnasien in Deutschland. Beide Mädchen sollten später in Hessen Karriere machten: Als Erdmuthe Falkenberg wurde die eine Leiterin des Landesjugendamtes Hessen, als Helga Einsele die andere Leiterin der hessischen Strafvollzugsanstalt für Frauen. Beide wurden bundesweit bekannt als Reformerinnen - des Jugendwohlfahrtsrechts bzw. des Strafvollzugsrechts. Helga und Erdmute wuchsen in einem bürgerlich-demokratisch gesinnten Elternhaus auf. Ihre Mutter war schon sehr früh in der Frauen-Emanzipationsbewegung tätig. Der Vater war 1914 als konservativ-patriotischer Bürger in den Krieg gezogen und kehrte aus ihm als liberaler Republikaner zurück. Dahin hatte ihn nicht nur das im Krieg erlebte mörderische Grauen gebracht, sondern ebenso sehr der hierarchisch-bürokratische Stumpfsinn des Militärapparats. Friedrich Hackmann ließ an seinem Gymnasium stets die schwarz-rot-goldene Fahne hissen, gegen den Widerstand der Mehrheit seines Kollegiums, die auf Schwarz-Weiß-Rot standen. Hackmann wurde konsequenterweise als einer der ersten höheren Beamten 1933 von den Nazis in Lüneburg "aus dem Schuldienst entfernt". Zu seinen Schülern gehörte übrigens ein späterer Oberbürgermeister Frankfurt am Mains: Werner Bockelmann. Der Rausschmiss Friedrich Hackmanns wurde zusätzlich mit dem "linksradikalen Engagement" seiner in Heidelberg studierenden Tochter Helga begründet. 1) Helga Einsele sagt von sich, sie habe sich 1930, nach "Überwindung bürgerlicher Skrupel", den sozialistischen Studentengruppen genähert und sei dann in die SPD eingetreten. Sie wurde Mitorganisatorin antifaschistischer Kundgebungen. Bei der Wahl zum Allgemeinen Studenten-Ausschuss kandidierte sie gegen den späteren NS-Reichsstudentenführer Gustav-Adolf Scheel. 1931 ging Helga Hackmann in die USA, interessiert allgemein am dortigen Strafvollzug und speziell an der Stellung von Frauen. Sie war mit ihrem späteren Mann, dem Biologen Wilhelm Einsele, nach New York gegangen. Der hatte ein Stipendium an der Columbia University erhalten; in New York heirateten die beiden. Helga schrieb in New York an ihrer Doktorarbeit, die von dem Nachfolger Radbruchs in Heidelberg Engelhard übernommen worden war. Als beide nach der "Machtergreifung" nach Deutschland zurückkehrten, mussten sie sich mehr schlecht als recht durchschlagen, bis Wilhelm Einsele eine adäquate wissenschaftliche Tätigkeit aufnehmen konnte. Ihre Tochter Nele wurde 1941 in Berlin geboren, wo Eltern und Schwester lebten. Zurückgekehrt nach Deutschland, ernannte 1947 der legendäre Ministerpräsidenten des roten Hessens, Georg August Zinn, Helga Einsele zur Leiterin des Frauengefängnisses in Frankfurt-Preungesheim, wo sie 28 Jahre "Einblick hatte in schlimmes Lebenselend", wie sie in ihren vor zehn Jahren erschienenen Memoiren "Mein Leben mit Frauen in Haft" (Stuttgart 1995) schrieb. Sie setzte es durch, dass die Zellen in einen menschenwürdigen Zustand gesetzt, vor allem erst einmal mit modernen hygienischen Einrichtungen ausgestattet wurden. Sie führte Therapie- und Selbsthilfegruppen im Gefängnis ein, lange bevor diese Ansätze breite Anerkennung fanden. Zu ihren Reformen gehörte, dass Beamte die Gefangenen nicht duzen und dass die Frauen normale Kleidung tragen durften; jede bekam außerdem eine für sie zuständige Sozialarbeiterin. Durch eine niedrigere Rückfälligenquote erregte Einseles Ansatz überregional Aufmerksamkeit. Vorbildlich wirkte vor allem das von ihr institutionalisierte Mutter-Kind-Haus, mit dem sie vermied, dass Kleinkinder und eingesperrte Mütter auseinandergerissen wurden. Dabei musste sie zugleich heftigen, politisch-ideologisch fixierten Widerständen gegen diese Humanisierung des Strafvollzugs begegnen. Doch es wurde ihr auch Hilfe bei ihrer Arbeit zuteil. Vor allem der damalige Hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der unermüdlich bis zu seinem Tod für eine demokratische Justiz und die Verfolgung von Naziverbrechen kämpfte, stand ihr zur Seite. (Als juristische Kampfgefährtin des Initiators des berühmten Frankfurter Auschwitzprozesses, überlieferte sie Bauers Ausspruch: "Wenn ich mein Büro verlasse, fühle ich mich wie im feindlichen Ausland.") Unterstützung kam außerdem von einer kleinen Gruppe von Strafverteidigern, die eine radikal republikanische, sozialdemokratische oder sozialistische Vergangenheit hatten. Jenseits ihres Fachgebiets und Berufs war Einsele engagiert in den politischen Auseinandersetzungen der Republik. In Frankfurt trat sie erst 1953 wieder in die SPD ein, dann aber keineswegs beschränkt auf eine formale Mitgliedschaft. In Frankfurt begann, mit der Rückkehr deutscher Hochschullehrer, vor allem aus der amerikanischen Emigration, für die intellektuellen Linken und den inzwischen gegründeten Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) eine kritische Auseinandersetzung mit der nach dem Krieg schnell sich erholenden, westdeutschen, kapitalistischen Gesellschaft. Als im November 1959 in der Stadthalle von Bad Godesberg die SPD die Weichen für ihren weiteren Weg stellte, gab es 16 Stimmen gegen das dann so genannte "Godesberger Programm", in dem erstmals von Sozialisierung und Arbeiterklasse nicht einmal mehr die Rede war - eine der Gegenstimmen kam von der Frankfurter Delegierten Einsele. Anfang der sechziger Jahre wurde der SDS, aus dem die 68-iger Bewegung hervorging, als zu linkslastig aus der SPD verdrängt. Einsele gehörte zusammen mit anderen undogmatischen Linken wie den Hochschullehrern Abendroth, Ossip K. Flechtheim oder Heydorn zu den Gründern der Sozialistischen Fördergemeinschaften für den SDS, auf welche die SPD mit Unvereinbarkeitsbeschluß und Parteiausschluss reagierte: Einsele wirkte über ihren Beruf hinaus nach 1962 politisch weiter. So half sie französischen Deserteuren, die vor dem Einsatz in Algerien geflohen waren, unterstützte Ostermärsche und bemühte sich um die Demokratisierung des Rechtsystems. Auch 1975, nach ihrer Pensionierung, verließ Einsele keineswegs die politische Bühne. Neben ihrer mehrjährigen Tätigkeit als Honorarprofessorin für Kriminologie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und Fachautorin, galt ihr weiterhin ungebrochenes Interesse einer weltweiten Friedenspolitik. Als "demokratische Sozialistin", so ihr Anspruch, beteiligte sie sich an den Auseinandersetzungen über die neuen Mittelstreckenraketen (SS-20 im Osten, Pershing-2 im Westen) Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre. In Mutlangen bei der Pershing-Depotblockade (zusammen u.a. mit Heinrich Böll, Helmut Gollwitzer und Walter Jens) wurde die Siebzigjährige von der Polizei abgeführt. 1969 wurde sie erste Fritz-Bauer-Preisträgerin. Andere Ehrungen kamen hinzu: darunter 1976 den Humanitären Preis der deutschen Freimaurer 4) ,das Land Hessen ehrte sie mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille, sie war Tony-Sender-Preisträgerin der Stadt Frankfurt 1992 (Tony Sender war bis 1933 Frankfurter Reichstags-Abgeordnete der SPD und eine weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannte Frauen- und Sozialrechtlerin) und noch im März 2002 wurde sie an der Fachhochschule Potsdam als Vorkämpferin für einen humanisierten Strafvollzug in Deutschland geehrt. Zu ihrem 80. Geburtstag hatte Helga Einsele sich für viele Lobreden, die mitunter wie Nachrufe zu Lebzeiten klangen, freundlich bedankt und dabei angemerkt: "Und nun will ich Ihnen noch etwas sehr persönliches verraten". Pause. "Ich möchte", sagte sie, "noch eine ganze Weile da sein. Denn ich bin neugierig, wie es weitergeht." Verschont von schweren Krankheiten, bis zuletzt geistig rege und nicht nur mit Leserbriefen noch die Öffentlichkeit suchend, starb Helga Einsele am 13.02.2005 94-jährig in einem Krankenhaus in Frankfurt am Main. 1) Veröffentlichungen: - Frauen im Strafvollzug. Rowohlt, Reinbek 1985, ISBN 3-499-14855-2 (zusammen mit Gisela Rothe) - Frauen im Strafvollzug . Auf der Suche nach etwas, das besser ist als Strafe.           Helga EINSELE & Gisela ROTHE  Rowohlt Taschenbuch, 1982, Taschenbuch ISBN: 3499148552 - Das Verbrechen, Verbrecher einzusperren. Helga Einsele antwortet Ernst Klee (Das theologische Interview; 20). Patmos-Verlag, Düsseldorf 1970. - Das Verbrechen Verbrecher einzusperren: Strafvollzug der positiven Zuwendung Das theologische Interview ; 20  Einsele, Helga und Ernst Klee  Düsseldorf : Patmos-Verlag, 1970. - Mein Leben mit Frauen in der Haft  - Stuttgart : Quell-Verlag, 1994, 1. Aufl. - Die Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe, Einsele, Helga ; Feige, Johannes ; müller-dietz, heinz   Ferdinand Enke Verlag  , 1972, PaperbackISBN: 3432017499 - Frauen im Gefängnis           Dürkop, Marlis / Hardtmann, Gertrud (Hrsg.) - Mit Beiträgen von Gertraud Will, Susanne Aschermann, Harriet Kümpel,   Petra Schlagenhauf, Helga Einsele, Hanna Dupuis; Renate Traxler u.a.    Suhrkamp (Edition Suhrkamp Bd. 916), 1978, Taschenbuch ISBN: 3518109162 Quellen: 1) Die Biografie stützt sich auf den Artikel von Günter Platzdasch und Heiner Halberstadt, Aufrechter Gang und Eigen-Sinn: Helga Einsele, Nachruf des Linksnet von 8. März 2005 2) Taufregister der evangelischen Gemeinde Dölau 3)  http://www.humanistische-union.de/nc/aktuelles/aktuelles_detail/back/       Heinz Brakemeier - Die Arbeit Helga Einseles für die Humanisierung des Strafvollzugs                                      Versuch einer kritischen Würdigung aus Vorgänge Heft 6/1969, S. 217-219 4) http:// freimaurer-wiki.de/index.php/Auszeichnungen Dank gilt Herrn Hermann Möller für weitere Informationen. Bildquelle: Frau Dr. Helga Einsele spricht als Leiterin der Frauenhaftanstalt Frankfurt am Main-Preungesheim im Filmbericht:                   Strafvollzug und Reformbestrebungen in deutschen Gefängnissen, Produktion: Reinhart Müller-Freienfels, Regie: Fritz Umgelter, 1956
Aus Filmbericht: Strafvollzug und Reformbestrebungen in deutschen Gefängnissen
Frau Dr. Helga Einsele spricht als Leiterin der Frauenhaftanstalt Frankfurt am Main- Preungesheim in dem Filmbericht: Strafvollzug und Reformbestrebungen in deutschen Gefängnissen, 1956
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